Sarantaporos-Wissenschaftswoche: Für den ersten grenzüberschreitenden Wildfluss-Nationalpark Europas

Der Sarantaporos fließt noch frei durch die griechische Bergwelt des Pindos. © Dimitris Papageorgiou / MedINA

 

++ Mehr als 60 Wissenschaftler*innen und Flussforscher*innen aus neun Ländern haben das verborgene Leben des Sarantaporos erforscht. Der Sarantaporos wird als der „große Bruder" von Europas letztem frei fließenden Fluss bezeichnet, dem grenzüberschreitenden Aoos/Vjosa-Fluss in Griechenland und Albanien. ++

9. Juli 2024, Athen/Tirana/Radolfzell/Wien - Vom 28. Juni bis 5. Juli 2024 führte ein multidisziplinäres Team von Wissenschaftler*innen aus mehreren europäischen Ländern sowie den USA umfangreiche Feldforschungen am Sarantaporos, einem Nebenfluss des Aoos, durch. Dabei verfolgen die Flussforscher*innen ein gemeinsames Ziel: das gesamte Einzugsgebiet des Aoos/Vjosa-Flusses durch die Schaffung eines grenzüberschreitenden Wildfluss-Nationalparks unter einen gemeinsamen Schutzstatus zu stellen, der in Europa einzigartig wäre.

In der Gemeinde Konitsa untersuchten die Forscher*innen mehr als 50 Flusskilometer nach Tierarten aller Klassen. Zudem erforschten sie physikalische, chemische und hydromorphologische Merkmale des Flusses. In den kommenden Monaten werden die Expert*innen ihre wertvollen Erkenntnisse auswerten und bis Ende des Jahres einen Abschlussbericht erstellen, der den Ministerien, den regionalen Behörden und den lokalen Gemeinschaften vorgelegt wird.

„Der Europäische Aal (Anguilla anguilla) ist stark bedroht. Unsere Ergebnisse während der Wissenschaftswoche zeigten, dass der Sarantaporos Populationen dieser Art beherbergt. Ein wichtiger Faktor, der zur Verkleinerung ihrer Lebensräume und zum Rückgang ihrer Populationen beiträgt, sind Flussbarrieren, wie z. B. Dämme, die ihre Bewegungsfreiheit einschränken. Der Schutz dieses einzigartigen Flussökosystems ist für die Erhaltung dieser ikonischen Art von entscheidender Bedeutung“, sagt Leonidas Vardakas, Ichthyologe vom Hellenischen Zentrum für Meeresforschung. © Theodora Lanara / MedINA

 

„Im Allgemeinen vergessen die Menschen, dass Flüsse nicht einfach nur Wasserflächen sind, sondern komplexe Netzwerke bilden. Nur sehr selten werden heute ganze Flusssysteme geschützt. Mit dem Aoos/Vjosa-System, einschließlich der Nebenflüsse, haben wir die einmalige Chance in Europa, ein ganzes Flussnetz zu retten, das ein Einzugsgebiet von etwa 7.000 km² entwässert", sagt Gabriel Singer, Fließgewässerökologe an der Universität Innsbruck.

Die neuen wissenschaftlichen Daten untermauern die kürzlich erfolgte Ausweisung des größten Teils des Einzugsgebiets des Sarantaporos als geschützte Landschaft durch das griechische Umweltministerium. Der Ministerialbeschluss, der wenige Tage vor Beginn der Wissenschaftswoche erlassen wurde, legt die Entwicklungsbedingungen und Einschränkungen für Aktivitäten innerhalb des Schutzgebiets fest und verbietet unter anderem den Bau von Staudämmen und Wasserkraftwerken, einschließlich Kleinwasserkraftwerken (SHP). Leider bedeutet diese positive Entwicklung nicht, dass der Aoos und seine Nebenflüsse vor der Bedrohung durch SHPs komplett verschont bleiben. Es sind bereits mehrere Wasserkraftprojekte außerhalb des kürzlich ausgewiesenen Schutzgebiets geplant; weitere befinden sich in einem fortgeschrittenen Genehmigungsstadium.

Das Einzugsgebiet des Aoos und der aktuelle Schutzstatus © MedINA

 

„Obwohl die neuen Vorschriften den Bau von ca. 15 Wasserkraftwerken im Einzugsgebiet des Sarantaporos ausschließen, könnten in seinen Ausläufern immer noch etwa 20 Projekte legal umgesetzt werden. Nur wenn das gesamte Aoos-Einzugsgebiet einen einheitlichen starken Schutzstatus erhält, sind die frei fließenden Gewässer vor dem Ausbau der Wasserkraft geschützt. Dieser Schritt ist dringend notwendig, um den Schutz des gesamten Aoos/Vjosa-Einzugsgebietes durch die Einrichtung des lang erwarteten grenzüberschreitenden Wildfluss-Nationalparks zu erreichen", sagt Dimitris Papageorgiou, lokaler Koordinator und Projektleiter von MedINA.

Der nächste Schritt besteht darin, den Schutzstatus des Gebiets zu einem Nationalpark aufzuwerten, indem die Grenzen des bereits bestehenden Nationalparks Nord-Pindos in Richtung der griechisch-albanischen Grenze erweitert werden. Das würde es ermöglichen, dieses Schutzgebiet mit dem benachbarten Vjosa-Wildfluss-Nationalpark zu verbinden, um den ersten grenzüberschreitenden Wildfluss-Nationalpark in Europa, Aoos/Vjosa, zu schaffen.

"Wenn man Expertise für wilde Flüsse hat, ist man hier am richtigen Ort. Als jemand, der in Mitteleuropa lebt, beneide ich diesen Ort manchmal, weil ich zu Hause keinen solchen Fluss habe und ich meine Student*innen 2000 Kilometer weit bringen muss, um ihnen zu zeigen, wie ein echter Fluss aussieht. Ein Flussnetz wie das Aoos/Vjosa-System ist ein sehr wichtiges Referenzsystem, um die Ökologie zu verstehen und die Renaturierung im übrigen Europa anzuleiten." Gabriel Singer, Ökologe für Fließgewässerökologie, Universität Innsbruck. © Z. Tsouglini / MedINA

 

Wissenschaftlerinnen und Forscher verschiedenster Disziplinen arbeiteten eine Woche lang gemeinsam am griechischen Sarantaporos. Ihre Erkenntnisse sollen helfen, den Fluss noch besser zu schützen. © Z. Tsouglini / MedINA

 

Gemeinsame Pressemitteilung von MedINA, EcoAlbania, EuroNatur und Riverwatch

 

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