
Hydropower Projects on Balkan Rivers 2024 Update
Ein Jahrzehnt nach der ersten systematischen Datensammlung über Wasserkraftprojekte auf dem Balkan, wurde nun ein neues Balkan Hydropower Update 2024 veröffentlicht; es zeigt ein gemischtes Bild: Einerseits konnte großer zivilgesellschaftlicher Einsatz viele zerstörerische Projekte aufhalten, andererseits sind trotz anhaltenden Widerstands aber immer noch tausende Wasserkraftprojekte in Planung und knapp 100 schon in Bau. Besonders beunruhigend: Die Hälfte dieser Projekte liegen in Schutzgebieten. Auf unserer interaktiven Karte können Sie diese neuen Daten erkunden.
Die anhaltende Gefahr
Das Update anhand der Daten von 2024 ergab:
- 188 Wasserkraftprojekte sind in der Region in Planung, 94 in Bau und 1.836 in Betrieb.
- 92 Prozent der geplanten Projekte sind Kleinwasserkraftwerke (unter 10 MW), die sehr wenig Energie erzeugen, aber den Flüssen und Gemeinden verheerende, irreversible Schäden zufügen.
- Nahezu die Hälfte der Projekte sind in Schutzgebieten geplant oder schon in Bau was deren eigentlichen Zweck – den Schutz der Natur – ad absurdum führt.
- Seit dem letzten Update 2022 gingen weitere 110 Wasserkraftwerke in Betrieb, wodurch weitere 1.100 Flusskilometer zerstört wurden.
- Bosnien und Herzegowina (BiH), Albanien und Serbien sind weiterhin Hotspots der Wasserkraftentwicklung, und auch in Griechenland und Kroatien nehmen die Projekte zu.
Ein Jahrzehnt Widerstand: hart erkämpfte Siege für den Flussschutz
Tausende Kilometer Flüsse gingen im letzten Jahrzehnt an die Wasserkraft verloren, aber die Anstrengungen von NGOs wie EuroNatur, Riverwatch und ihrer vielen Partner in den Balkanstaaten, von örtlichen Gemeinden, Wissenschaftler*innen, Aktivist*innen, Jurist*innen und vielen weiteren im Rahmen der Kampagne „Rettet das blaue Herz Europas“ haben größere Zerstörung abwenden können. Der Vergleich mit den Daten seit 2015 (siehe Abbildung) zeigt, dass es gelungen ist, den Staudamm-Tsunami abzubremsen. „Die signifikante Zunahme an Wasserkraftprojekten zwischen 2015 und 2022 (von 714 auf 1726) setzte sich fort, scheint sich aber in den letzten beiden Jahren verlangsamt zu haben“, stellt die Studie fest (S. 3). Außerdem hat die Zahl der in Umsetzung befindlichen Projekte seit 2017 stetig abgenommen.
Dieser Erfolg zeigt sich nach dem jüngsten Update auch in der Streichung von 452 Wasserkraftwerkprojekten, deren Umsetzung nicht mehr als durchführbar angesehen wird. Darunter befinden sich auch 26 im Vjosa-Wildflussnationalpark in Albanien, der am 13. März seinen zweiten Jahrestag feierte. Auch fünfzehn Projekte an der Neretvica in Bosnien-Herzegowina (BiH) wurden durch politische Entscheidungen zu den Akten gelegt. In Griechenland werden nun 405 Projekte im offiziellen Planungsregister des Landes als „abgelehnt“ gelistet. In BiH werden nach den Änderungen des Elektrizitätsgesetzes in der Föderation Bosnien und Herzegowina (FBiH) weitere Aussetzungen erwartet, wodurch mindestens 116 Projekte gestoppt werden
Die Staudamm-Länder: wo die Zerstörung jetzt stattfindet
BiH, Albanien und Serbien sind nach wie vor Hotspots der Wasserkraft, deren zerstörerische Projekte einige der wertvollsten Flussökosysteme in Europa bedrohen. Zum Beispiel:
In Bosnien und Herzegowina zählen zwei ikonische Flüsse zu den am stärksten bedrohten im Balkan, da sie einer Vielzahl von großen und kleinen Staudammprojekten ausgesetzt sind:
- Neretva: Mehr als 50 kleine und große Wasserkraftwerkprojekte bedrohen das Flusssystem – die Neretva und jeden einzelnen ihrer Nebenflüsse. Dazu gehören der kürzlich fertiggestellte große Ulog-Staudamm, der die alpine Landschaft durchschneidet, und das Projekt „Upper Horizons“, das größte Staudammprojekt in Europa.
- Obere Drina: Eines der am stärksten bedrohten Flusssysteme der Region. Zahlreiche große und kleine Staudammprojekte stellen eine enorme Bedrohung für den bereits weltweit gefährdeten Huchen (Donaulachs) dar.
- Albanien ist mit 27 in Bau und 346 in Planung befindlichen Projekten nach wie vor ein Hotspot für den Wasserkraftausbau in der Region. Zu den schlimmsten Projekten gehören:
- Shkumbini: In einem der extremsten Fälle von übermäßigem Wasserkraftausbau bleibt buchstäblich kein Nebenfluss von Dämmen verschont. Selbst Schutzgebiete wie der Shebenik-Jabllanica-Nationalpark sind durch neue Kleinwasserkraftwerke bedroht.
- Shkumbini: In einem der extremsten Fälle von übermäßigem Wasserkraftausbau bleibt buchstäblich kein Nebenfluss von Dämmen verschont. Selbst Schutzgebiete wie der Shebenik-Jabllanica-Nationalpark sind durch neue Kleinwasserkraftwerke bedroht
- Devoll: Die Fertigstellung der Staudämme Banja und Moglica hat den Oberlauf des Flusses dauerhaft in eine Kette von Stauseen verwandelt, die den Flussverlauf unterbrechen und das Ökosystem flussabwärts stark beeinträchtigen.
Vollständige Studie (auf Englisch): Hydropower Projects on Balkan Rivers 2024 Update