Neue Erhebung belegt: Wasserkraft-Tsunami auf dem Balkan

 24.11.2017

Lesen Sie dazu auch den The Guardian Artikel Balkan hydropower projects soar by 300% putting wildlife at risk, research shows

 

++ Europas Wasserschatz wird geplündert ++ Auf dem Balkan sind 187 Wasserkraftwerke im Bau und 2.800 geplant ++ Viele Nationalparks und Natura 2000 Gebiete betroffen ++

Wien, Radolfzell, 28.11.2017 Eine aktuelle Untersuchung macht das Ausmaß der Bedrohung für Europas letzte bedeutende Wildflüsse deutlich: Zwischen Slowenien und Griechenland sind 2.800 Wasserkraftwerke geplant und 187 derzeit im Bau. Davon liegen mehr als 1.000 (37 Prozent) in hochrangigen Schutzgebieten, 118 in Nationalparks und 547 in Natura 2000 Gebieten. Die übrigen befinden sich in hochrangigen nationalen Schutzgebieten. Seit 2015 sind auf dem Balkan 160 bis 180 Wasserkraftwerke gebaut worden, so die Ergebnisse der Untersuchung von Riverwatch und EuroNatura. Die Geschwindigkeit der Flusszerstörung nimmt zu. Alle zwei Jahre werden im Rahmen der Kampagne „Rettet das Blaue Herz Europas“ die Wasserkraftwerke und -projekte am Balkan analysiert. Erhoben wurden die Daten von Fluvius.

Baustelle an der Valbona, Albanien, mitten im Valbona Nationalpark. © Mirjan Aliaj

Baustelle an der Sana, Bosnien-Herzegowina. Hier baut die KELAG, ein österreichisch-deutsches Unternehmen und gefährdet damit den Huchen, eine global bedrohte Fischart. © Matic Oblak

„Unsere Warnungen bestätigen sich: Europas Wasserschatz wird geplündert. Ohne Rücksicht auf Schutzgebiete, Menschen und bedrohte Arten werden die Flüsse am Balkan zerstört, ihr Wasser abgeleitet und ganze Landschaften trockengelegt, “ so Ulrich Eichelmann von Riverwatch.

„Die wesentlichen Ursachen für diese Wasserkraft-Welle sind Korruption, die Oberflächlichkeit vieler internationaler Finanzinstitute und falsch verstandener Klimaschutz. Das muss aufhören, ansonsten erleidet das Blaue Herz Europas einen Infarkt“, sagt Gabriel Schwaderer, Geschäftsführer von EuroNatur.

 

Resultate der Untersuchung

Derzeit sind 2.796 Wasserkraftwerke geplant, 188 im Bau und 1.004 existieren bereits.  Von den geplanten Anlagen liegen 1.031 (37%) Projekte in hochrangigen Naturschutzgebieten (davon 118 in Nationalparks, 547 in Natura 2000 Gebieten). 

 

Der Vergleich mit der letzten Erhebung von 2015 zeigt folgendes:

  • die Geschwindigkeit beim Bau neuer Wasserkraftwerke nimmt zu. Derzeit sind am Balkan 188 im Bau, 2015 waren es "nur" 61.
  • Hotspots der derzeitigen Flusszerstörung sind Albanien (81 im Bau), Serbien (30), Mazedonien (22) und Bosnien und Herzegowina(19). Eher wenig los ist derzeit in Slowenien, Kroatien und Montenegro
  • In den letzten 2 Jahren sind etwa 160-180 Anlagen fertiggestellt worden. 
  • Im Bau: 91% der im Bau befindlichen Anlagen haben eine geplante installierte Leistung von unter 10 Megawatt (MW) und erfordern deshalb keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP).
  • Praktisch alle größeren im Bau befindlichen Anlagen sind in Albanien: 10 von 13 Anlagen mit einer Leistung von 10-50MW und 2 von 3 mit einer Leistung über 50MW.
  • Der zukünftige Hotspot wird neben AL und BA vor allem RS sein. Hier sind in Summe über 826 Anlagen geplant.

 

Grafik 1. Wasserkraftwerke nach Ländern

 

Schutzgebiete

  • Schutzgebiete sind kein Schutz gegen Kraftwerke; der Schutzstatus wird massiv unterwandert. Insgesamt wurden 1.447 Kraftwerke bzw. -projekte in hochrangigen Schutzgebieten (Nationalparks, Ramsar, Natura 2000, nationale Naturschutzgebiete) festgestellt. Davon sind: 
    • 1.031 geplant. 2015 waren es "nur" 535 Projekt in Schutzgebieten, die Zahl hat sich also verdoppelt.
    • 51 im Bau
    • 365 existent 
  • Nationalparks: 118 Projekte sind in Nationalparks geplant (2015: 113), 21 im Bau (!), 52 existent.
  • Natura 2000: 547 Projekte sind in Natura 2000 Gebieten geplant (2015: 131), 7 im Bau, 248 existent. Natura 2000 ist ein EU Schutzgebietsnetzwerk, deshalb wurden in dieser Kategorie nur die EU Mitgliedsstaaten Slowenien, Kroatien, Griechenland und Bulgarien berücksichtigt. Der deutliche Zuwachs an geplanten Anlagen hängt auch mit der gegenüber 2015 verbesserten Datenlage in Bulgarien zusammen.
Grafik 2. Kraftwerke in Naturschutzgebieten

 

Methode

Erhoben wurden die Daten von der Firma FLUVIUS Floodplain Ecology and River Basin Management mittels intensiver Satellitenbilder-Recherche, sowie Daten aus internationalen und nationalen Quellen, Firmen- und Banken-Websites, Presseartikel etc. Hinsichtlich der Kraftwerke in Schutzgebieten ist zu berücksichtigen, dass im Zuge dieser Analyse lediglich die Daten zu Wasserkraftwerke aktualisiert wurden, nicht aber die Naturschutzgebiete. Neue Schutzgebiete, die seit 2015 eingerichtet wurden, sind daher nicht berücksichtig. Das bedeutet, dass die tatsächliche Zahl der Kraftwerke in Schutzgebiete sehr wahrscheinlich noch höher ist.

 

DOWNLOADS

Zusammenfassung der 2017 Daten
Sammlung aller Grafiken

 

Grafiken nach Ländern:

Albanien Bosnien & Herzegowina Mazedonien Serbien
Kosovo Bulgarien Slowenien Kroatien
Montenegro Griechenland Türkei  

 

Rückfragen

Ulrich Eichelmann - Riverwatch - ulrich.eichelmann@riverwatch.eu - 0043 676 6621512
Anja Arning - EuroNatur - anja.arning@euronatur.org - 0049 7732 927213

 
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